Präsentismus kostet Firmen in der Schweiz jedes Jahr mehrere Milliarden Franken. Erfahren Sie in unserem Blogartikel:
- Was Präsentismus genau ist
- Welche Probleme dadurch entstehen
- Was Sie dagegen tun können
Leisten Mitarbeitende nicht mehr, wenn sie trotz Krankheit zur Arbeit erscheinen? Nein, das ist ein Trugschluss. Warum das so ist und welche Folgen diese Fehlannahme hat, beleuchten wir in diesem Beitrag:
- Definition: Was ist Präsentismus, und wie eindeutig ist der Zustand «krank»?
- Folgen: Welche Auswirkungen hat Präsentismus auf Unternehmen und Angestellte?
- Gründe: Warum arbeiten Angestellte überhaupt krank? Die Ursachen dafür sind vielschichtig.
- Lösungsansätze: Was Unternehmen gegen Präsentismus tun können, und wie sich diese Massnahmen langfristig auszahlen.
Präsentismus bedeutet: Arbeiten trotz Krankheit, auch wenn sich Mitarbeitende krankmelden oder krankschreiben lassen könnten. Dies reduziert ihre Produktivität und kann dazu führen, dass die Krankheit chronisch wird.
Mit Homeoffice und Smartphones verstärkt sich dieses Phänomen zusätzlich. Schliesslich lassen sich E-Mails, Anrufe oder Teams- und WhatsApp-Nachrichten überall beantworten, auch krank im Bett. Laut dem Job-Stress-Index 2022 der Gesundheitsförderung Schweiz (PDF, 669 KB) gehen in der Schweiz 9,6 Prozent der Arbeitszeit durch Präsentismus verloren. Auch Absentismus – wenn man trotz bester Gesundheit dem Arbeitsplatz fernbleibt – kostet Arbeitszeit. Dieser Verlust ist jedoch mit 5,3 Prozent deutlich geringer.
Der Unterschied zwischen gesund und krank ist nicht immer eindeutig. Bei Grippe mit Fieber fühlt man sich krank. Wie aber sieht es bei milden Symptomen oder chronischen Erkrankungen aus? Die nachfolgende Grafik zeigt die Abstufungen auf, wobei die orange Stufe eine individuelle Beurteilung erfordert. Ein Gespräch zwischen Arbeitnehmenden und Vorgesetzten kann dabei helfen.
Im Bereich a ist eine Person medizinisch, objektiv und nach eigenem Empfinden gesund und beschwerdefrei. Bei b fühlt sich eine Person gesundheitlich beeinträchtigt und sucht womöglich eine medizinische Fachperson auf. Im Bereich c wird eine Person medizinisch als krank eingestuft und befindet sich in Behandlung.
Krank zu arbeiten, ist teuer. Denn Präsentismus hat nicht nur kurzfristige oder individuelle Folgen, sondern wirkt sich auch langfristig auf einen Betrieb und sogar auf die gesamte Volkswirtschaft aus. Die Schweiz könnte jährlich bis zu 5 Milliarden Franken einsparen, wenn sie Präsentismus reduzierte. Weit weniger liesse sich durch die Bekämpfung des Absentismus erreichen: eine Einsparung von 1,5 Milliarden Franken. Das zeigt der Job-Stress-Index 2022 (PDF, 669 KB).
Krankheiten vermindern die Konzentration und damit die Qualität der Arbeit. Stellen Sie sich einen Koch im Restaurant vor, der unter Migräne leidet und das Steak zu stark durchbrät oder die Suppe versalzt. Die Gäste schicken die Gerichte zurück, was zu Mehraufwand und Foodwaste führt. Das Restaurant erleidet möglicherweise einen Imageschaden. Darüber hinaus sind kranke Mitarbeitende in gewissen Berufen ein Sicherheitsrisiko. Wer unkonzentriert mit schweren Maschinen hantiert, läuft Gefahr, sich oder andere zu verletzen.
Haben Sie auch schon trotz Kopf- oder Bauchschmerzen gearbeitet? Dann haben Sie sicherlich gemerkt, dass Ihre Produktivität stark beeinträchtigt war. Man kommt nicht vorwärts, erledigt keinen Punkt auf der To-do-Liste, macht dazu mehr Fehler. Ist man wieder gesund, geht die Arbeit leichter von der Hand.
Ohne ausreichende Erholung verzögert sich die Genesung. Längere Krankheiten sind die Folge. Darüber hinaus hat Präsentismus langfristige gesundheitliche Konsequenzen. Diese können bis zur dauerhaften Arbeitsunfähigkeit reichen. Mitarbeitende mit allgemein schlechterem Gesundheitszustand haben ein höheres Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Zudem steigt das Risiko für psychische Erkrankungen aufgrund von Stress und Überarbeitung.
Kranke Mitarbeitende können am Arbeitsplatz andere anstecken. Das führt zu weiteren Ausfällen und gefährdet die Gesundheit der Kundschaft, insbesondere in kundenorientierten Berufen wie im Gesundheitswesen oder in der Gastronomie. Präsentismus schadet also allen Beteiligten: den Arbeitnehmenden, dem Unternehmen und der gesamten Wirtschaft.
Die Ursachen, warum Mitarbeitende trotz Krankheit arbeiten, sind vielfältig und ein direktes Abbild unserer Arbeitswelt. Zu den häufigsten Gründen zählen:
- Arbeitsplatzunsicherheit: In wirtschaftlich unsicheren Zeiten oder in Branchen mit hohem Konkurrenzdruck fühlen sich viele Arbeitnehmende gezwungen, ihre Einsatzbereitschaft durch Anwesenheit zu zeigen, selbst wenn sie krank sind.
- Fehlende Vertretung: In kleinen Teams oder bei spezialisierten Tätigkeiten gibt es oft niemanden, der die Arbeit der kranken Person übernehmen kann. Dies führt zu einem Gefühl der Unentbehrlichkeit und dem Druck, trotz Krankheit arbeiten zu müssen.
- Unternehmenskultur: Eine Kultur, die hohe Arbeitsbelastung und ständige Verfügbarkeit verherrlicht, kann Präsentismus fördern. Mitarbeitende glauben, ihr Engagement durch Anwesenheit beweisen zu müssen, auch wenn dies zulasten ihrer Gesundheit geht.
- Niemanden im Stich lassen wollen: Ein starkes Verantwortungsgefühl gegenüber der Arbeit, den Kolleginnen und Kollegen oder dem Unternehmen kann dazu führen, dass sich Arbeitnehmende verpflichtet fühlen, auch bei Krankheit zu arbeiten.
- Fehlendes Bewusstsein: Die negativen Auswirkungen von Krankheit auf die eigene Produktivität und Gesundheit werden oft unterschätzt. Viele glauben fälschlicherweise, dass ihre Anwesenheit trotz gesundheitlicher Beschwerden besser ist als ihre Abwesenheit.
- Finanzielle Sorgen: Fehlende oder unzureichende Lohnfortzahlung im Krankheitsfall kann dazu führen, dass Arbeitnehmende aus finanzieller Not auch krank zur Arbeit erscheinen.
Je besser Unternehmen diese Gründe verstehen, desto gezielter können sie gegensteuern.
Gegen Präsentismus helfen aufgrund der vielfältigen Ursachen nicht nur individuelle Massnahmen, sondern auch strukturelle Änderungen im Unternehmen, wie:
- Stärken des betrieblichen Gesundheitsmanagements: Etablieren Sie gesundheitsfördernde Massnahmen und Angebote am Arbeitsplatz. Das zahlt sich mehrfach aus. Wie viel Sie damit einsparen, können Sie auf unserer Seite «Betriebliches Gesundheitsmanagement» berechnen.
- Schulung der Führungskräfte: Sensibilisieren Sie die Führungspersonen für das Thema Gesundheit und Work-Life-Balance. Die Reaktionen der Führungskräfte auf Krankmeldungen tragen massgeblich dazu bei, ob Präsentismus im Unternehmen häufig vorkommt oder nicht.
- Offene Kommunikation: Schaffen Sie ein Umfeld, in dem Mitarbeitende sich trauen, über ihre gesundheitlichen Probleme zu sprechen.
- Wertschätzung der Mitarbeitenden: Sorgen Sie dafür, dass sich Mitarbeitende nicht ständig beweisen müssen, sondern dass ihre Arbeit und ihre Person auch sonst wertgeschätzt werden. Zahlreiche Tipps dazu finden Sie in unserem Artikel «Wertschätzung von Mitarbeitern: Bedeutung, Wirkung und 15 Ideen zur Umsetzung».
- Flexible Arbeitsmodelle: Bieten Sie Homeoffice, flexible Arbeitszeiten und die Möglichkeit zur Teilzeitarbeit an, um die Work-Life-Balance zu verbessern.
- Präventionskultur: Führen Sie regelmässige Gesundheitstage oder Workshops zu Themen wie Stressmanagement durch. Stellen Sie sicher, dass allen Mitarbeitenden bewusst ist, welche Folgen Präsentismus hat. In unserem Artikel «Psychische Gesundheit am Arbeitsplatz» finden Sie 8 praktische Tipps, wie Sie Ihre Mitarbeitenden mental stärken.
Massnahmen gegen Präsentismus sind ein Schritt zu einem gesünderen Arbeitsplatz. Mit präventiven Massnahmen und einer offenen Kultur können Unternehmen Präsentismus reduzieren. Das stärkt die Gesundheit der Mitarbeitenden, ihre Motivation und Produktivität. Ein proaktiver Ansatz in der Gesundheitsförderung sowie Unterstützung und Verständnis schaffen ein wertschätzendes Arbeitsumfeld. Das reduziert krankheitsbedingte Fehlzeiten, steigert die Leistung und verbessert das Unternehmensergebnis. Die Bekämpfung von Präsentismus ist somit eine Investition in die Zukunftsfähigkeit und Resilienz eines Unternehmens und leistet einen wichtigen Beitrag zur sozialen Nachhaltigkeit.
Mit ihrer umfangreichen Erfahrung leitet Jacqueline Schreiber seit 2006 das Betriebliche Gesundheitsmanagement und das HR Case Management bei der Baloise Versicherung AG.
Unter ihrer Führung wurde Baloise seit 2010 kontinuierlich mit dem Label «Friendly Work Space» von Gesundheitsförderung Schweiz ausgezeichnet. Jacqueline besitzt einen MAS in Sozialrecht von der FH Nordwestschweiz und setzt sich dafür ein, ein gesundes und attraktives Arbeitsumfeld für alle Mitarbeitenden zu schaffen.
Gesunde Mitarbeitende sind der Schlüssel zum Erfolg jedes Unternehmens. Deshalb gibt es unser Programm für betriebliches Gesundheitsmanagement. Erfahren Sie, wie Sie davon profitieren und gleichzeitig Geld sparen können.