Anlegen in Zeiten der Corona-Krise Nach den massiven Kurskorrekturen im Frühjahr 2020 – Wie entwickeln sich die Märkte?
Das sich im Frühjahr 2020 weltweit ausbreitende Coronavirus führte zu massiven Kurskorrekturen an den Finanzmärkten. Innerhalb kürzester Zeit brachen die Aktienmärkte mit Rekordgeschwindigkeit um bis zu 30 Prozent ein. Darauf folgte eine ungewöhnlich schnelle Erholung. Dieses historische Marktumfeld und die damit einhergehenden Kontaktbestimmungen stellten auch unsere Baloise-Kundenberaterinnen und Kundenberater vor Herausforderungen. Tobias Flury leitet bei Baloise den Bereich Vorsorge & Vermögen/Private Banking in der Region Zürich, Ost- und Zentralschweiz (ZOZ). Im Interview spricht er über Herausforderungen, aber auch über Erfolge und Learnings, die man aus dem Börseneinbruch für Kunden generieren konnte.
Tobias Flury: Das Marktumfeld ist derzeit anspruchsvoll. Es war ein überraschendes Jahr 2020. Einerseits war die Corona-Pandemie, die im Frühjahr zu einem massiven Absturz der Aktien führte, überraschend. Andererseits sorgte eine überraschend schnelle Gegenbewegung für eine Erholung der Finanzmärkte. Weiteren Optimismus stiftete ein 2,3 Billionen USD schweres Corona-Hilfspaket, das nach Weihnachten unterzeichnet wurde. Ebenfalls sorgte die Brexit-Einigung an Heiligabend für Erleichterung. Doch trotz anfänglicher Euphorie aufgrund des Corona-Impfstoffs, der die Märkte wieder beflügelt hat, glaube ich, dass die Unsicherheit des Markumfelds in den kommenden Monaten bleiben wird. Das zeigt sich auch in den taktischen Anpassungen unserer Anlageprodukte.
Flury: Die Herausforderungen für den Berater sind sehr vielschichtig. Zum einen geht es natürlich um fachliche Fragen, die uns auch weiterhin begleiten: Wie verhalte ich mich in der Anlageberatung in einem solchen Umfeld? Wie aktiv bin ich? Wie gut ist die Anlagestrategie aufgestellt? Zum anderen ist die Diskussion rund um Corona ein sehr emotionales Thema, zumal es direkt auch die eigene Gesundheit betrifft. In dieser Zeit spielt die Beziehung zum Kunden eine ganz entscheidende Rolle. In bestehenden Kundenbeziehungen überwindet das vorhandene Vertrauen die räumliche Distanz problemlos. Umgekehrt spüren wir, dass zum Beispiel die Online-Beratung von potenziellen Neukunden nicht auf Anhieb funktioniert. Die Nähe als Basis für ein vertrauensvolles Geschäft fehlt dann einfach. Das merken wir auch bei uns im Team. Wir haben im Bereich Vorsorge viel Kontakt mit Kunden, welche wir auf dem Weg in ihre Pensionierung begleiten, die also 60 Jahre und älter sind. Da spielt die Risikogruppen-Thematik eine Rolle, und es stellt sich die Frage: Wie kann ich trotz Distanz für Beratungsqualität und Nähe sorgen? Es hat sich einmal mehr gezeigt, dass unsere Kunden gerade jetzt den regelmässigen, telefonischen Austausch sehr schätzen.
Flury: Es gab im Frühjahr vereinzelt Kunden, die sehr aktiv waren und bis in den April, Mai, Juni hinein schon wieder mit Aufstockungen begonnen haben. Zu diesem Zeitpunkt waren die grossen Verwerfungen im Markt eine Chance. Doch das waren eher Einzelfälle. Ich sehe hier vielmehr die Strategietreue als Erfolgsfaktor – Dieser überraschend starke Absturz, der schwierig war zu antizipieren, kombiniert mit einer extrem schnellen Erholung, die noch schwieriger war. Da war es wichtig, dass man eine gewisse Strategietreue verfolgt. Wir als Baloise haben nach dem Börsenabsturz defensiv reagiert und zum Beispiel die Aktienquote in nahezu alle Fonds- und Anlagemandaten deutlich zurückgefahren. Das war aus unserer Perspektive wichtig, zumal uns vor allem Gelder aus der Vorsorge und aus Lebensversicherungen anvertraut werden. Selbstkritisch betrachtet, haben wir jedoch rückblickend festgestellt, dass unsere taktischen Anpassungen zu defensiv ausgerichtet war und von der Erholung an der Börse nicht gleich profitiert haben. Doch unsere Kunden haben das verstanden. Auch vor dem Hintergrund einer vorsichtigen Aktienquote haben wir mit Edelmetallen, wie Gold, sehr viel wettgemacht. In dieser Krisensituation zeigte sich einmal mehr, dass Gold nicht nur wertbeständig ist, sondern sich auch gut für die Diversifikation des Anleger-Portfolios eignet.
Im zweiten Teil des Interviews erfahren Sie, inwiefern der Corona-Börsenabsturz im Frühjahr 2020 bewährte Grundsätze bestätigt und zu neuen Erkenntnissen geführt hat.
Als Covid-19 im März 2020 die Welt in Stillstand versetzte, brachen die Aktienkurse massiv ein. Zwar erholten sich die Finanzmärkte schnell, aber die Unsicherheit blieb. Bis heute, sind doch Dauer und langfristige Folgen der Pandemie noch nicht abzusehen. Im ersten Teil des Interviews spricht Tobias Flury, Leiter Vorsorge & Vermögen/Private Banking bei Baloise in der Region Zürich, Ost- und Zentralschweiz (ZOZ), über das aktuelle Marktumfeld und Herausforderungen, vor denen Anleger und Kundenberater stehen. Nun berichtet er, welche Erfolge erzielt wurden, und welche Learnings sich daraus rund um das Thema Anlegen in Krisenzeiten ableiten lassen.
Tobias Flury: Die Extremsituation im Frühjahr hat einmal mehr bewiesen, dass Strategietreue sehr wichtig ist. Und genau das ist der Kern unserer Beratung: Wir betrachten das Gesamtvermögen unserer Kunden und bauen darauf basierend das Anlagekonzept auf. Dann hat man als strategietreuer Anleger auch den Mut, an diesem Plan festzuhalten, wenn es wirklich turbulent wird. Ein weiterer Erfolg ist, dass wir keine Panik bei unseren Kunden gesehen haben. Wir haben ihnen Schritt für Schritt erklärt, was da genau an der Börse geschieht.
Flury: Erfolg und Erkenntnis hängen eng zusammen, wie ich finde. In diesem Sinne hat das Corona-Jahr 2020 keine grundlegenden Neuerungen gebracht. Wichtig war und ist es, in diesem Bereich professionell und unaufgeregt weiterzuarbeiten. Schliesslich sind anlageseitig vielmehr klassische Grundsätze neu bewiesen worden: Strategietreue, Gesamtvermögen betrachten und verstehen sowie die Nähe zum Kunden. Dazu gehören auch eine klare Portfolio-Diversifikation und der Mut, taktische Entscheidungen zu treffen. Das grösste Learning, das neu dazugekommen ist, besteht meiner Meinung nach in der digitalen und flexiblen Nähe zum Kunden. Ein weiteres Thema, welches im letzten Jahr an Wichtigkeit gewonnen hat, ist das Thema Nachhaltigkeit beim Anlegen. Wir wurden von unseren Kunden spürbar öfter auf diese Thematik angesprochen. Ich bin mir nicht sicher, ob das Thema Nachhaltigkeit nun wegen oder trotz Corona an Relevanz gewinnt. Es bestätigt aber den von der Baloise eingeschlagenen Weg, bei den eigenen Fondslösungen konsequent die Baloise ESG-Standards umzusetzen.
Flury: Das ist mein Naturell, ich sehe in jeder Situation Chancen und Risiken. Auf jeden Fall gab es im Frühjahr Chancen. Es gab für Mutige spezielle Themen, wie Tech-Aktien, die sich extrem stark entwickelt haben, und auch der Goldpreis kletterte auf ein Rekordhoch. Doch diese kurzfristigen Höchststand-Diskussionen sind eigentlich Elemente, die ich wenig berücksichtige. Ich finde es wichtig, den kurzfristigen und langfristigen Erfolg in Relation zu setzen. Deshalb sehe ich aktuell mehr die relative Attraktivität von Realwerten wie Aktien oder auch Immobilien im Vergleich zu Kontoguthaben und Anleihen in einem unverändert tiefen Zinsumfeld.
Flury: Das Asset Management gehört zu den 20 grössten Vermögensverwaltern der Schweiz und vereint fundiertes Know-how mit langjähriger Erfahrung. So bündelt die BAM das zentrale Anlagewissen, eine einheitliche Strategie und taktische Elemente. Diese Leitlinie ist für uns in der Beratung sehr wichtig. Wir als Baloise sind für das Asset Management der Zugang zum Kunden. Das Zusammenspiel funktioniert sehr gut – und wird von uns fortlaufend weiter optimiert.
Leiter Bereich Vorsorge & Vermögen/Private Banking in der Region Zürich, Ost- und Zentralschweiz (ZOZ), Baloise