Die wichtigsten Antworten zur Revision des Schweizer Erbrechts
Nach über hundert Jahren erhält das Schweizer Erbrecht eine Revision. Die Änderungen sollen den heutigen Bedürfnissen Rechnung tragen; immer weniger Personen leben in traditionellen Familienverhältnissen. Im Zentrum der Revision steht deshalb die Selbstbestimmung. Erblasserinnen und Erblasser erhalten testamentarisch mehr Gestaltungsspielraum bei der Verteilung ihrer Erbschaft.
- Das revidierte Erbrecht gilt ab dem 1. Januar 2023.
- Die gesetzliche Erbfolge bleibt bestehen.
- Die Pflichtteile werden auf insgesamt 50 Prozent des Nachlasses reduziert.
- Die Erblasserin oder der Erblasser kann neu über 50 Prozent des Nachlasses frei verfügen.
- Der Pflichtteil der Eltern entfällt komplett.
- Die Begünstigung der Ehegattin oder des Ehegatten zur Nutzniessung wird ausgebaut.
An der gesetzlichen Erbfolge ändert das revidierte Erbrecht nichts. Ohne Testament wird Ihr Nachlass wie gehabt verteilt. Bei verheirateten Paaren geht dabei die eine Hälfte des güterrechtlichen Anspruchs der verstorbenen Person an den überlebenden Teil des Ehepaars, die andere Hälfte an die Kinder.
Auf Konkubinatspaare hat die Revision des Erbrechts ebenfalls keinen Einfluss. Sie haben weiterhin kein gesetzliches Erbrecht. Möchten Sie Ihre Konkubinatspartnerin oder Ihren Konkubinatspartner begünstigen, müssen Sie dies nach wie vor mit einem Testament oder Vertrag regeln. Auch die Erbschaftssteuer – je nach Kanton beträgt sie bis zu 50 Prozent – auf eine Erbschaft an die Konkubinatspartnerin oder den Konkubinatspartner bleibt bestehen.
Wenn Sie mehr über die Vor- und Nachteile des Konkubinats wissen möchten und wie Sie ein Konkubinatsvertrag absichert, empfehlen wir Ihnen unsere Artikel «Konkubinat: Was du wissen musst» und «Konkubinatsvertrag in der Schweiz: Schutz für Unverheiratete».
Anders sieht die Situation für die Pflichtteile aus, wenn ein Testament vorliegt. Neu können Sie über die Hälfte Ihres Nachlasses im Testament frei verfügen. Bisher konnten Sie nur drei Achtel nach Ihren Wünschen verteilen. Dazu wird der Pflichtteil der Nachkommen auf die Hälfte ihres gesetzlichen Erbteils reduziert und der Pflichtteil der Eltern fällt vollständig weg. Der Pflichtteil des überlebenden Teils des Paares bleibt hingegen unverändert bei der Hälfte seines gesetzlichen Erbteils.
Revidiertes Erbrecht per 1.1.2023
Revidiertes Erbrecht per 1.1.2023
Die Nutzniessung schiebt das Recht der Nachkommen auf die Nutzung des geerbten Vermögens zugunsten des überlebenden Teils des Ehepaars auf. Diese Begünstigung der Ehegattin oder des Ehegatten wird mit dem neuen Erbrecht ausgebaut. Ab dem 1. Januar 2023 dürfen Sie Ihrer Ehegattin, Ihrem Ehegatten, Ihrer eingetragenen Partnerin oder Ihrem eingetragenen Partner neu 50 Prozent statt wie bisher 25 Prozent des Nachlasses zu Eigentum beziehungsweise zur Nutzniessung zusprechen. Kommt es zu einer Wiederverheiratung oder einer neuen eingetragenen Partnerschaft der überlebenden Person, entfällt ihre Nutzniessung am Pflichtteil der Kinder.
Die Revision des Erbrechts wirkt sich auch auf Ehepaare in Scheidung und auf Paare, die ihre eingetragene Partnerschaft auflösen, aus. Bisher verfällt der Pflichtteilsanspruch erst, wenn die Scheidung oder die Auflösung der eingetragenen Partnerschaft rechtskräftig wird. Neu erlischt dieser bereits bei einem hängigen Verfahren oder wenn das Paar während mindestens zwei Jahren getrennt gelebt hat. Um eine vollständige Enterbung der in Scheidung oder Auflösung ihrer eingetragenen Partnerschaft stehenden Personen rechtsgültig zu machen, reicht ein einfaches Testament.
Nach dem neuen Erbrecht sind Schenkungen durch den überlebenden Teil des Ehepaars nach Abschluss eines Erbvertrags nur noch bedingt möglich; sie können von den erbberechtigten Nachkommen angefochten werden. Die Möglichkeit für Schenkungen – deren Zweck und Höhe – muss neu ausdrücklich im Erbvertrag definiert und erlaubt werden. Ausgenommen davon sind Gelegenheitsgeschenke.
Weil sich mit dem revidierten Erbrecht einiges ändert, empfehlen wir Ihnen, Ihren bestehenden Erbvertrag oder Ihr Testament zu überprüfen. Nutzen Sie das neue Recht für allfällige Umverteilungen und kontrollieren Sie, ob es Ergänzungen oder klarere Formulierungen braucht – beispielsweise für den Scheidungsfall oder Schenkungen.
Weil die Pflichtteile mit dem neuen Erbrecht reduziert werden, erhält die Erblasserin oder der Erblasser mehr Handlungsspielraum für die eigene Nachlassplanung und kann selbstbestimmter handeln. Ehe- und Konkubinatspaare sowie Paare in eingetragenen Partnerschaften können ihre Partnerinnen und Partner dadurch stärker begünstigen oder weitere Personen und Institutionen für das Erbe berücksichtigen.
Bis anhin ging im Fall des Todes einer Person ein Pflichtteil des Nachlasses an deren Eltern. Mit dem neuen Erbrecht fällt dies vollständig weg. Die Erblasserin oder der Erblasser kann neu frei über diesen Anteil verfügen und ihn selbstbestimmt den gewünschten Personen zukommen lassen.
Wir empfehlen Ihnen, Ihr bestehendes Testament im Hinblick auf die Erbrechtsrevision überprüfen zu lassen. Gerade wenn Pflichtteilserben und Nachkommen vorhanden sind, ist dies besonders wichtig. Verfügen Sie über einen Erbvertrag? Auch dann raten wir Ihnen zu einer Überprüfung.