Die Verschmelzung von Berufs- und Privatleben: Potenziale, Gefahren und Tipps zum neuen Arbeitstrend.
- Was Work-Life-Blendung wirklich anders macht
- Vor- und Nachteile von Work-Life-Blending
- Worauf du besonders achten solltest
Wenn du nicht gerne arbeitest, brauchst du nicht weiterzulesen. Denn hier geht es um ein Arbeitsmodell mit Zukunft, ein Modell, bei dem sich Berufsleben und Privates immer mehr vermischen. Das Konzept hat einen Namen: Work-Life Blending, auch New Work oder Arbeitswelt 4.0 genannt. Natürlich ist das nicht in jedem Beruf möglich; Beispiele dafür sind etwa das Gesundheitswesen oder der Detailhandel. In vielen Fällen hat dieses Modell jedoch Vorteile für dich und deine Arbeitgeberin. Aber es gibt auch Nachteile. Im Detail erfährst du, was du dir unter der neuen Arbeitsorganisation vorstellen musst, welche positiven Seiten sie hat und wo die Gefahren lauern. Zum Schluss gibt’s noch praktische Tipps.
Beginnen wir mit der Definition. Work-Life-Blending bedeutet, dass Arbeits- und Privatleben verschmelzen, (englisch «to blend» = «vermischen», «verschmelzen»). Die Übergänge zwischen den beiden Bereichen sind fliessend. Es gibt keine fixen Grenzen zwischen Arbeitswelt einerseits und Freizeit, sozialem Leben und Musse andererseits.
Während Work-Life-Blending die Verschmelzung von Arbeit und Freizeit bedeutet, bezeichnet die Work-Life-Balance das genaue Gegenteil, eine klare Trennung der beiden Bereiche.
Work-Life-Balance | Work-Life-Blending |
---|---|
Klare Trennung zwischen Arbeits- und Privatleben | Arbeit und Privatleben verschmelzen |
Arbeit und Freizeit sind zwei separate Bereiche des Lebens | Klare Abgrenzung zwischen beiden Teilbereichen fehlt |
Gleichgewicht zwischen den beiden Teilbereichen | Übergang zwischen Berufs- und Privatleben ist fliessend |
Work-Life-Blending jetzt mal ganz konkret: Du erledigst private Angelegenheiten während deiner Arbeitszeit. Du machst zum Beispiel einen Termin mit einer Autogarage ab, oder du nimmst einen Zahnarzttermin wahr – während der Arbeitszeit und ohne deswegen eine Notlüge aufzutischen oder ein schlechtes Gewissen zu haben. Das ist die eine Seite der Medaille. Die andere: Du solltest auch in der Freizeit offen sein für geschäftliche Angelegenheiten. Was heisst das konkret? Wichtige Meetings an deinen freien Tagen müssen drinliegen. Auch der Anruf deiner Chefin geht in Ordnung, wenn du am Strand deine Ferien geniesst. Und E-Mails am Abend von zu Hause aus beantworten ist selbstverständlich.
«Zusammengefasst heisst das: Du bist freier und flexibler in der Gestaltung deiner Arbeit und Arbeitszeit. Aber du musst deiner Arbeitgeberin auch ausserhalb der traditionellen Arbeitszeiten für Wichtiges zur Verfügung stehen.»
Was oft als Zukunftsszenario gehandelt wird, hat in Tat und Wahrheit bereits in der Arbeitswelt Einzug gehalten. Die Digitalisierung hat den Boden für Work-Life-Blending geebnet. Durch das Handy und andere Mobilgeräte sowie durch verbreitete Tools für ortsunabhängige Kommunikation und Zusammenarbeit sind wir es gewohnt, auf dem Arbeitsweg geschäftliche E-Mails zu beantworten und im Geschäft an privaten Chats teilzunehmen. Als treibender Faktor wirkte in den letzten Jahren zweifellos die Corona-Pandemie. Sie hat die Einführung des Homeoffice auf breiter Basis bewirkt und damit die Verschmelzung von Beruflichem und Privatem auch räumlich vollzogen: Homeoffice bedeutet nichts anderes, als beruflich in den eigenen, privaten Räumen zu arbeiten.
Dass du während der Arbeit mal kurz zum Coiffeur gehen kannst und keine festen Präsenzzeiten hast, ist sicher angenehm. Work-Life-Blending hat aber weit gewichtigere Vorteile.
Flexible Arbeitszeiten
Einmal abgesehen davon, dass du während der Arbeitszeit private Termine wahrnehmen kannst, ermöglichen dir Freiheiten in der Arbeitszeitgestaltung, selbstbestimmter und ergebnisorientierter zu arbeiten. Je nach Deadlines und Aufgaben arbeitest du länger oder kürzer. Untätig im Büro herumsitzen – das war einmal. Auch Ferientage musst du nicht mehr für private Angelegenheiten opfern.
Höhere Produktivität
Weil du deine Zeit freier einteilen kannst, ist es dir möglich, genau die Zeit zu wählen, in der du am produktivsten bist. Du kannst zielgerichteter arbeiten. Das freut selbstverständlich auch deine Arbeitgeberin. In diesem Punkt haben wir daher eine Win-win-Situation.
Bessere Motivation
Wer selbstbestimmter arbeitet, hat in der Regel auch mehr Spass im Job, ist motivierter bei der Arbeit und ist generell zufriedener mit seiner Arbeitssituation. Zufriedene Mitarbeiterinnen schätzen auch Vorgesetzte.
Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben
Mit flexiblen Arbeitszeiten kannst du zum Beispiel Beruf und Familie besser unter einen Hut bringen. Du kannst die Kids aus der Kinderkrippe holen, erledigst im Gegenzug Büroarbeiten am Abend im Homeoffice. Auch andere private Pflichten kannst du dank Flexibilität bei der Arbeit besser erfüllen.
Die Vermischung von Arbeit und Privatleben hat zweifellos gewichtige Vorteile sowohl für Mitarbeiterinnen als auch für Arbeitgeberinnen. Kritiker dieses Modell verweisen aber auf seine Gefahren.
Überstunden
Einer der häufigsten Kritikpunkte an der Arbeitswelt 4.0 ist die Gefahr einer unkontrollierten Ausweitung der Arbeit auf Kosten der Angestellten. Die Verlagerung der Arbeit ins Homeoffice und die erhöhte Erreichbarkeit auch ausserhalb regulärer Arbeitszeiten können leicht in unbezahlte Mehrarbeit münden, da diese Arbeitszeiten kaum dokumentiert sind.
Einbussen im Privatleben
Wenn die Trennung zwischen Arbeit und Freizeit wegfällt, kann das auch das Privatleben belasten. Wenn du regelmässig am Abend zuhause am PC arbeitest, kommt es rasch dazu, dass du den Partner oder die Partnerin, Freunde und Sportkolleginnen vernachlässigst. Du solltest dir der Tatsache bewusst sein, dass zu hohe Leistungserwartungen gerne zu Selbstausbeutung führen.
Gesundheitliche Belastungen
Wenn du dauernd erreichbar bist, kannst du oft nicht oder schlecht abschalten. Das führt nicht nur zu Stress und innerer Unruhe, sondern unter Umständen auch zu Schlaf- und Essstörungen, Konzentrationsschwierigkeiten, Erschöpfung und ernsthaften psychischen Problemen.
Damit du die positiven Seiten von New Work nutzen kannst, ohne in die mehr oder weniger gefährlichen Fallen zu tappen, haben wir hier einige Tipps für dich. So kannst du möglichst sinnvoll mit den neuen Arbeitsformen von New Work umgehen.
Du kannst immer noch einen Tick mehr arbeiten, eine weitere Idee entwickeln, etwas noch besser machen. Für dein psychisches und physisches Wohlbefinden ist es aber wichtig, dass du dir Grenzen setzt und dass du dich bewusst von der Arbeit und deiner Arbeitsumgebung abgrenzt.
Du musst eine gewisse Offenheit mitbringen, damit du starre Arbeitszeitregelungen hinter dir lassen und deine eigene Einstellung anpassen kannst. Du musst dich beispielsweise nicht entschuldigen oder schlecht fühlen, wenn du während der Arbeit Privates erledigst.
Im Vordergrund steht hier, dass du alles erfasst, was du leistest, damit du einen entsprechenden Ausgleich einfordern kannst. Es geht nicht nur darum, deine Leistungen zu dokumentieren. Du sollst auch hinterfragen, ob eine Aufgabe wirklich noch am gleichen Abend erledigt werden soll, oder ob der nächste Tag auch noch reicht.
Als Arbeitnehmerin solltest du dir regelmässig genügend Pausen gönnen. Sie sind wichtig, damit du Energie für Körper und Geist tanken kannst. Ein einfaches und effizientes Mittel ist, deine Arbeitsgeräte zuhause oder in den Ferien abzuschalten. Es gibt spezielle Tools, die dich zu festen Zeiten automatisch aus deinem Account oder einzelnen Anwendungen ausloggen.
Wenn dir plötzlich auffällt, dass dir anstehende Aufgaben nicht mehr aus dem Kopf gehen und du nicht mehr abschalten kannst, solltest du etwas dagegen unternehmen. Autogenes Training oder Meditation können helfen. Für beides gibt es viele Kurse. Auch zahlreiche Apps für dein Smartphone helfen dir dabei, abzuschalten.
Du nimmst deine Arbeit ernst. Genauso solltest du mit deinem Privatleben umgehen. Ein privater Termin ist genauso wichtig wie ein Kundenmeeting im Unternehmen. Das sollte deine Grundhaltung sein.
Wo Work-Life-Blending praktiziert wird, sind effiziente Tools für die flexible Arbeitszeiterfassung eine Selbstverständlichkeit. Es braucht aber auch weitere Unterstützung durch die Arbeitgeberin. So sollte das Recht auf Nichterreichbarkeit und die selbständige Organisation der Arbeit geregelt sein. Ebenso die Pflicht, Auszeiten von beruflichen Aufgaben zu nehmen. Und ganz wichtig: eine offene, klare Kommunikation mit Vorgesetzten und Kolleginnen. Du musst ohne schlechtes Gewissen sagen können, wenn es zu viel ist für dich ist und du mit der flexiblen Arbeitsform nicht zu Rande kommst.