Wie gewinnen Sie Ihre Gäste für nachhaltige Angebote? Oder dafür, im Restaurant weniger Lebensmittel zu verschwenden? Mit subtilen Anreizen. Lesen Sie hier:
- Was Nudging bedeutet
- Wie Nudging funktioniert
- Wie Sie Nudging einsetzen
Diese Themen erwarten Sie:
- Definition: Was ist Nudging?
- Vorteile: Wodurch besticht die Nudging-Methode?
- Beispiele: Wo wird Nudging eingesetzt?
- Ethik: Nudge ist nicht gleich Nudge.
- Gastronomie: Nudging ausprobieren lohnt sich.
- Beispiele: Welche Art von Nudging funktioniert in Restaurants?
- Ratgeber: So setzen Sie in Ihrem Gastrobetrieb Nudging ein.
- Mehrwert: Wie profitiert Ihr Betrieb von Nudging?
«Nudge» heisst auf Englisch ein Stups oder Schubs. Abgeleitet davon bezeichnet Nudging eine Methode aus der Verhaltensökonomie. Sie regt Menschen sanft dazu an, bestimmte Entscheidungen zu treffen oder Verhaltensweisen zu ändern – mit einem Schubs in die richtige Richtung.
Der Clou: Die Wahl zwischen verschiedenen Optionen bleibt bestehen. Aber das Umfeld ist so gestaltet, dass die gute Option attraktiver wird oder einfacher zu haben ist.
Um Verhalten oder Entscheidungen zu beeinflussen, gibt es vieles, das für Nudging spricht:
- Subtil: Nudging setzt auf sanfte Impulse und freiwillige Verhaltensänderungen.
- Einfach: Nudges erfordern keine komplizierten Massnahmen. Schon kleine Änderungen können eine grosse Wirkung erzielen.
- Günstig: Kleine Änderungen sind günstig zu haben – ganz im Gegensatz zu grossen Kampagnen oder Gesetzesänderungen.
Nudges werden in vielen Bereichen des täglichen Konsums eingesetzt, beispielsweise im Verkauf oder bei Vertragsabschlüssen.
Im Supermarkt greifen Konsumentinnen und Konsumenten eher zu Produkten auf Augenhöhe oder an anderen gut sichtbaren Stellen. Eltern mit kleinen Kindern kennen das aus schmerzhafter Erfahrung: Süssigkeiten werden vor der Kasse in greifbarer Höhe der Kinder präsentiert – die diese dann unter Einsatz aller Kräfte haben wollen.
Bei Vertragsabschlüssen in Onlineshops wird Nudging so eingesetzt, dass bestimmte Optionen vorausgewählt sind. Das erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass sie als Standard angesehen und dadurch eher akzeptiert und gewählt werden.
Ethisch vertretbar und breit akzeptiert sind Nudges dann, wenn die Verhaltensänderung zum Wohl der gestupsten Person oder eines übergeordneten Wohls wie Nachhaltigkeit ist. Das ist zum Beispiel bei Präventionskampagnen der Fall, die auf Ampelsymbole setzen, um ungesunde Produkte einfach zu kennzeichnen. Oder wenn ein Stromanbieter – begleitet von einer erklärenden Kommunikationskampagne – bei der Auswahl von Stromprodukten das «grüne» Produkt als Standardauswahl vorgibt (Quelle: Schweizer Bevölkerung zu mehr Nachhaltigkeit «stupsen»).
Ernährung und Nachhaltigkeit sind zwei Gebiete, wo Nudges häufig diskutiert und ausprobiert werden, insbesondere in Betriebskantinen und Mensen. Bio, vegetarisch, vegan, fair gehandelt, regional, saisonal: Gesunde Ernährung hat eine hohe Priorität, finden mehr als drei Viertel der Teilnehmenden einer Umfrage des Gottlieb Duttweiler Instituts. Doch weniger als die Hälfte hält eine nachhaltige Ernährung für ebenso wichtig. Viele verzichten aus Unwissenheit oder aus Kostengründen auf eine gesunde und nachhaltige Ernährung.
Sanftes Nudging kann diese Entscheidungsfindung beeinflussen. Etwa durch ein angepasstes Angebot, eine attraktive Präsentation oder zusätzliche Informationen. Beim Thema Lebensmittelverschwendung kann Nudging dazu beitragen, Food Waste zu verringern. Doch wie Forschung und Praxis zeigen, funktionieren Nudges je nach Massnahme und Gästeprofil unterschiedlich gut. Deshalb lohnt es sich, verschiedene Nudges auszuprobieren.
Ein Blick auf zwei Studien zeigt die interessante Wirkung von Nudging in Restaurants und wie es das Verhalten der Gäste beeinflussen kann.
Nicht jeder Nudge zeigt Wirkung. Eine italienische Studie aus dem Jahr 2017 untersuchte in 14 Restaurants den Einfluss von Nudging auf die Bereitschaft, sich Essensreste im Restaurant einpacken zu lassen. «Doggybags» sind in vielen Ländern, so auch in Italien, mit einem Gefühl von Scham behaftet. Es wird als unhöflich betrachtet oder als ein Zeichen von Armut, wenn man fragt, ob man Essensreste mitnehmen darf. Als Nudge wurde der einen Hälfte der Gäste suggeriert, das Mitnehmen von Foodboxen sei der neue Standard. Also nicht die Ausnahme, sondern die Regel. Als zweiter Nudge wurde der anderen Hälfte ungefragt eine Foodbox angeboten. Nur der erste Nudge, der die Foodboxen sozial normalisierte, führte zu einer deutlichen Verhaltensänderung.
Eine schwedische Studie, die 2016 während drei Wochen in Restaurants durchgeführt wurde, testete eine andere Form von Nudging. Die eine Hälfte der Gäste erhielt eine Speisekarte mit einer Fisch- und einer Fleischoption. Auf Wunsch konnten diese Gäste ein vegetarisches Gericht bestellen. Die andere Hälfte bekam eine Speisekarte, auf der das Fisch- und das Vegimenü beschrieben waren, mit der Option einer Fleischvariante auf Nachfrage. Mit der zweiten Karte sank die Nachfrage nach dem Fleischmenü um 20 Prozent gegenüber der ersten Speisekarte. Allein der Aufwand, das Fleischgericht nachzufragen, hielt viele Gäste davon ab, dieses Essen zu wählen.
Probieren Sie Nudging in Ihrem Betrieb aus, damit Gäste zu nachhaltigeren Varianten greifen – natürlich ohne dass der Genuss auf der Strecke bleibt:
- Menükarte anpassen: Oft muss man vegetarische und vegane Gerichte auf der Speisekarte suchen. Mehr Sichtbarkeit und «gluschtige» Namen und Beschreibungen ermutigen Ihre Gäste, öfters auf Fleisch, Fisch oder ganz auf tierische Produkte zu verzichten.
Beispiel: Platzieren Sie vegetarische und vegane Gerichte an prominenter Stelle – vor den Fleisch- und Fischgerichten, in einem hervorgehobenen Kasten oder auf einem Beiblatt – und kennzeichnen Sie solche Gerichte speziell, beispielsweise mit einem grünen Blatt. - Gesunde Optionen attraktiv machen: Investieren Sie in die ansprechende und prominente Präsentation gesunder Gerichte. Das zieht das Auge und die Aufmerksamkeit auf sich.
Beispiel: Das Foto eines schön angerichteten, frischen Salattellers in der Speisekarte lässt das Wasser im Mund zusammenlaufen. - Einfachen Zugriff ermöglichen: Je sichtbarer die gesunden Optionen auch im Raum sind, desto eher wird zugegriffen.
Beispiel: Platzieren Sie den Fruchtsalat im Selbstbedienungsbereich vor dem süssen Gebäck und den Korb mit Äpfeln an der Kasse. - Portionen reduzieren: Grosse Portionen sind ein Grund für Food Waste. Mit kleineren Tellern und kleineren Portionen bleibt weniger übrig.
Beispiel: Berechnen Sie die Preise fürs Salatbuffet nach Gewicht statt pro Teller. Dann werden die Teller nicht überladen. - Wasser anbieten: Offerieren Sie Ihren Gästen auch gesunde Getränkeoptionen, beispielsweise Wasser oder ungesüssten, hausgemachten Tee.
Beispiel: Stellen Sie als Geste des Hauses zum Essen, Kaffee oder Wein zusätzlich eine Karaffe Leitungswasser auf den Tisch. - Nachhaltige Zutaten kennzeichnen: Machen Sie Ihr nachhaltiges Engagement sichtbar, indem Sie nachhaltige Produkte mit zusätzlichen Erklärungen oder einem speziellen Symbol kennzeichnen.
Beispiel: «Unser Gemüse stammt aus der Region und der Kaffee aus fairem Handel.»
Aber Vorsicht: Gäste durchschauen es, wenn sich ein Betrieb nur um des schönen Scheins willen ein ökologisches Mäntelchen umhängt («Greenwashing») oder wegen eines Ökolabels die Preise ungerechtfertigt erhöht. - Feedbacks sichtbar machen: Menschen lassen sich von sozialen Normen leiten. Was vielen gefällt, könnte auch anderen gefallen.
Beispiel: Zeigen Sie, welche nachhaltige Option Ihre Gäste am häufigsten bestellen.
Gesündere Gäste, Schutz der Umwelt – schön und gut. Aber was bringt Nudging Ihnen als Gastrobetrieb?
- Weil Food Waste Ihren Betrieb Geld kostet, spart Nudging Geld, wenn Sie dadurch Lebensmittelabfälle reduzieren können.
- Nudging trägt dazu bei, dass sich Ihre Gäste wohl und gut informiert fühlen. Das ist die beste Voraussetzung für den nächsten Besuch und eine Weiterempfehlung.
- Basierend auf den Erkenntnissen einer Marktanalyse kann sich ein Betrieb durch Nudging noch besser bei seinen Gästen positionieren. Denn wer sich für Nachhaltigkeit stark macht und sich nicht nur um den Gewinn, sondern auch um die Gesundheit der Gäste kümmert, arbeitet an einem positiven Image. Das wiederum zieht neue Gäste an.
Nudging lohnt sich für alle. Wagen Sie also den kleinen Schubs – Sie dürfen gespannt sein auf die Resultate! Im Praxisnetzwerk von GastroFutura haben Sie die Möglichkeit, Ihre Erfahrungen mit Kolleginnen und Kollegen aus der Gastrobranche auszutauschen. Zu Nudging finden spezielle Anlässe statt.
Andreas Handke ist Küchenchef, Inhaber der Mühletal Gastro GmbH in Zürich und zertifizierter Food- und Climate-Shaper. Er setzt sich leidenschaftlich für eine nachhaltige Ernährung ein, damit alle Menschen Zugang zu gesunden Lebensmitteln haben. Darum engagiert er sich im weltweiten Netzwerk «Social Gastronomy Movement» und im «Chefs Manifesto», das sich an den Nachhaltigkeitszielen (SDGs) der Agenda 2030 der Vereinten Nationen (UN) orientiert.
Als Mitinitiant von GastroFutura stärkt er die Schweizer Gastronomie für die Klimaziele 2030. Sein Motto: #foodislife #zämeischbesser #gastrofutura.
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